Als Arzt gelobe ich feierlich, mein Leben in den Dienst der Menschlichkeit zu stellen


Dr. med. Ingrid Heimke

Dresden, den 08.05.20

Herrn
Ministerpräsidenten Michael Kretschmer

Sächsische Staatskanzlei
01095 Dresden

Ihre Stellungnahme am 5.5.20 auf Facebook zu einem Impfzwang in Deutschland

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmer,

über Ihre klar ablehnende Stellungnahme in Bezug auf einen direkten und indirekten Impfzwang in Deutschland habe ich mich sehr gefreut.

In Anbetracht dessen, dass wir in Deutschland seit 1.3. diesen Jahres einen indirekten Impfzwang (§ 20 Absatz 8, 9 und 13 Infektionsschutzgesetz (IfSG) haben, war ich allerdings beim Hören Ihrer Stellungnahme sehr irritiert.

Wie Ihnen sicherlich bekannt ist, können seit dem 1.3. in öffentlichen Einrichtungen nur noch Kinder aufgenommen werden, die eine (bzw. ab dem 2. Geburtstag zwei) Impfung(en) gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR) vorweisen können. Die Empfehlungen der Sächsischen Impfkommission (SIKO) weichen im Bezug auf MMR erheblich von den Vorgaben des Gesetzgebers ab. Kurz gefasst empfiehlt die SIKO für beide Impfungen ein späteres Mindestalter, gleichwohl sie um dem IfSG gerecht zu werden, Einschränkungen vorgenommen hat. Die SIKO kann diese späteren Impfzeitpunkte in gut nachvollziehbarer Weise wissenschaftlich begründen.

In meiner Praxis kläre ich jede Familie umfassend gemäß den Vorgaben der SIKO über alle öffentlich empfohlene Impfungen in Sachsen auf. Auch nach dem 1.3.20 wünschen sich die meisten Eltern in meiner Praxis, welche mehrheitlich beide berufstätig sind, nach Abwägung der STIKO- und SIKO-Empfehlungen für ihr Kind eine MMR-Impfung nach den bisher gültigen Empfehlungen der SIKO. Aufgrund des geänderten IfSG ist den Kindern berufstätiger Eltern diese Möglichkeit seit dem 1.3. verwehrt.

Neben den vielen Menschen, welche nach SIKO impfen lassen möchten, betreue ich auch Familien, die aktuell keine MMR-Impfung möchten, auf einen Betreuungsplatz bzw. den Schulbesuch aber angewiesen sind.

Diese Familien sind durch das geänderte IfSG gezwungen ihr Kind gegen ihren Willen impfen zu lassen.

Die Zwangssituation entsteht aus einer materiellen Not. Viele können es sich nicht leisten auf ein Gehalt zu verzichten bzw. ein Bußgeld von bis zu 2500 Euro aufzubringen.

Der Gesetzgeber schreibt selbst im Gesetzentwurf auf Seite 12 unter Punkt (14), das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit werde durch das geänderte Gesetz „eingeschränkt“. Demnach steht es außer Frage, dass durch den am 1.3. eingeführten MMR-Impfzwang Grundrechte eingeschränkt werden. Eine andere Frage ist, ob durch das geänderte IfSG weitere Grundrechte eingeschränkt werden. Ich sehe durch dieses Gesetz unter anderem auch Artikel 6 und 12 des Grundgesetzes verletzt.

Als in Dresden niedergelassene Kinderärztin bin ich täglich mit den Auswirkungen dieses, um Ihre Worte zu benutzen, „indirekten Impfzwangs“ beschäftigt. Der auf die Eltern aufgebaute Druck wird durch die Besonderheiten der Durchführung einer Impfung an mich als ausführende Ärztin weitergegeben.

Ich stehe nun immer wieder vor der Situation, dass mich Eltern aufgrund einer persönlichen wirtschaftlichen Notsituation zur Impfung auffordern und gleichzeitig mündlich mitteilen, dass sie die Impfung zu diesem Zeitpunkt ablehnen.

Diese Situation bringt mich in einen schweren Konflikt zwischen ärztlicher Ethik, welche in der Berufsordnung der Sächsischen Landesärztekammer niedergeschrieben ist, und den Vorgaben des Gesetzgebers. Zur Darlegung dieses Konfliktes lege ich Ihnen als Anlage mein diesbezügliches Schreiben an den Präsidenten der Sächsischen Landesärztekammer bei.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmer,

bitte zeigen Sie, dass Ihren Worten Taten folgen. 

Am 5.5.20 sagten Sie: „Aber ich werde genauso dafür eintreten, dass jemand der das [eine Impfung Anm. v. m.] nicht will, der das für sich ausschließt, nicht gezwungen werden kann, dass so etwas möglich ist.“

1.    Bitte stellen Sie öffentlich richtig, dass es aktuell in Deutschland für bestimmte Bevölkerungsgruppen einen indirekten Impfzwang in Bezug auf MMR gibt.

2.    Bitte unterstützen Sie Patienten, die durch das seit dem 1.3. gültige IfSG in eine schwere Zwangslage geraten sind.

3.    Bitte setzen Sie sich für uns Ärzte ein, so dass wir konform mit unserer Berufsordnung und unseren ethischen Prinzipien unserer Arbeit nachgehen können.

Über eine Möglichkeit zu einem persönlichen Gespräch mit Ihnen würde ich mich sehr freuen.

Ich bitte Sie hiermit, den Eingang meines Schreibens kurz zu bestätigen, gern per Email.  Lassen Sie mir bitte zeitnah eine Antwort auf mein Schreiben zukommen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. med. Ingrid Heimke

Anhang

1.    Masernfallzahlen und Impfdaten Sachsen/Deutschland

2.    Stellungnahme des Vereins Ärzte für Individuelle Impfentscheidung zum Kabinettsentwurf zum „MSG“

3.    Mein Schreiben an den Präsidenten der Landesärztekammer, Herrn Erik Bodendieck