Als Arzt gelobe ich feierlich, mein Leben in den Dienst der Menschlichkeit zu stellen


Editorial Ärzteblatt 12/2019

Impfpflicht gegen Masern

Wir alle wollen für uns und unsere Kinder das Beste. Aber was ist das Beste, wenn es um die Gesundheit geht? Am hochemotionalen Thema der Masernimpfplicht ab 1. März 2020 wird das besonders deutlich. Kinder sollen künftig beim Eintritt in die Kindertagesstätte oder Schule einen altersgerechten Masernimpfschutz nachweisen. Auch Personen, die in Gemeinschafts- und Gesundheitseinrichtungen arbeiten, sollen gegen die Infektionskrankheit geimpft sein. Ich begrüße diese Regelung, wohl wissend, dass  das einige anders sehen.

Natürlich wäre es mir lieber, wenn man die Impfpflicht nicht bräuchte, weil die für die Eliminierung angestrebten 95 Prozent für die 2. Impfung bereits erreicht wären. Aber dem ist nicht so. Trotz vieler freiwilliger Maßnahmen zur Verbesserung der Impfquote, wie zum Beispiel Aufklärung über die Medien, Ansprachen durch die behandelnden Ärzte und Hinweise bei der Einschulungsuntersuchung, fehlen immer noch die entscheidenden Prozente, um die Bevölkerung vollständig gegen Masern schützen zu können. Und vor allem, um auch die zu schützen, die nicht geimpft werden können, zum Beispiel, weil sie zu jung sind oder eine Kontraindikation besteht.

In den ersten sechs Monaten 2019 wurden weltweit fast dreimal mehr Masernfälle gemeldet als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Deutschland wird auch als eines der fünf Länder beschrieben, welches für diese Entwicklung mit verantwortlich zeichnet.

Beim Grippeimpfschutz mache ich persönlich die Erfahrung, dass sich immer mehr Bürger impfen lassen mit der Begründung, sie selbst oder ihnen nahestehende Personen haben die Virusgrippe erleiden müssen und so etwas möchten sie nicht noch einmal erleben. Das ist für die Masernerkrankung keine Option, denn sie kann mit viel zu einschneidenden Komplikationen einhergehen. Neuesten Forschungsergebnissen zufolge können Masern sogar einen Teil des immunologischen Gedächtnisses löschen und so infizierte Personen

viele Jahre für Infektionserreger anfällig machen – das heißt die Masernimpfung kann noch viel mehr bewirken als wir uns das bisher vorgestellt haben. Hier haben wir als Ärzte eine große Verantwortung. Ärzte und medizinisches Personal haben auch eine Vorbildfunktion und natürlich die Aufgabe, Patienten aufzuklären. Ärzte, die ihrer Verantwortung nicht nachkommen und ihren Patienten die Impfung nicht empfehlen oder sogar ausreden, sollte es in unserer heutigen Zeit nicht mehr geben.

Vor der Aufnahme in Kindertagesstätten müssen zukünftig alle Kinder, die mindestens ein Jahr alt sind, nachweisen, dass sie die Impfungen gegen Masern erhalten haben. Das geht nur in Zusammenarbeit von Ärzten und Leitern der Kindereinrichtungen.

Eine Kontrolle der Impfausweise und entsprechende Beratung der Eltern ist ein fester Bestandteil der Schulaufnahmeuntersuchung der Gesundheitsämter. Wünschenswert wäre es, wenn sie auch gleich die Impfungen anbieten könnten. Damit würden den Eltern zusätzliche Wege erspart bleiben. Entsprechende Vereinbarungen mit den Krankenkassen zur Abrechnung existieren in Sachsen bereits seit vielen Jahren. Dementgegen steht aber die prekäre personelle Situation der Ämter, die dringend verbessert werden muss.

Nichtgeimpfte Kinder können zukünftig vom Besuch der Kindertagesstätte ausgeschlossen werden. Nichtgeimpftes Personal darf in Gemeinschafts- oder Gesundheitseinrichtungen keine Tätigkeiten aufnehmen. Eltern, die ihre in Gemeinschaftseinrichtungen betreuten Kinder nicht impfen lassen, müssen mit einer Geldbuße in Höhe von bis zu 2.500 Euro rechnen. Die Geldbuße kann auch gegen die Leitungen von Kindertagesstätten verhängt werden, die nicht geimpfte Kinder zulassen. Gleiches gilt für nichtgeimpftes Personal in Gemeinschafts- und Gesundheitseinrichtungen sowie Asylbewerberunterkünften und für nichtgeimpfte Bewohner solcher Unterkünfte.

Ich wünsche mir sehr, dass nur wenige Bußgelder erhoben werden müssen und durch Aufklärung dennoch die Durchimmunisierungsrate verbessert wird.

Dipl.-Med. Petra Albrecht

Vizepräsidentin